Unser Gehirn lenkt unbemerkt unser Denken und unser Verhalten. Rund 100 Milliarden Nervenzellen hat das Gehirn eines erwachsenen Menschen. So viele Nervenzellen wie es wohl mindestens Sterne in der Milchstrasse gibt. Unser Gehirn steuert unseren Körper, unsere Sinne und Gefühle. Es verarbeitet Erfahrungen und passt sich auf intelligente Weise an neue Situationen an. Heute weiß man, dass das Gehirn bis ins hohe Alter laufend umstrukturiert wird und sich unterschiedlichen neuen Herausforderungen anpassen kann. Seine wichtigste Eigenschaft ist das Lernen. Ein Leben lang ist es in der Lage, Neues zu erlernen.
( Yoga und das Gehirn
Yoga eröffnet uns in unserer modernen Welt eine Reihe von Möglichkeiten, unser Gehirn ganz bewusst und selbstbestimmt positiv zu beeinflussen. Etwa abrupte, schnelle biochemische Abläufe im Gehirn und im Körper vor oder bereits in Stresssituationen zu verlangsamen, ruhiger zu atmen und so gelassener auf Stress zu reagieren oder Angst zu reduzieren. Beispielsweise vor Prüfungen oder bei Lampenfieber. Ein gutes Gefühl gibt es einem aber auch, wenn man während einer Meditation an Klarheit gewonnen hat, manch sinnloser Gedankenstrom gestoppt wurde, und man anschließend kreativer arbeiten kann. Sogar auf unsere Gene, in Kombination mit einem angepassten gesunden Lebensstil, wirkt sich Yoga positiv aus. )
Lernen, ein Leben lang
Für ein tieferes Verständnis der Funktion des Gehirns und seiner Geschichte, und um sich selbst vielleicht ein bisschen besser zu verstehen, lohnt sich ein Besuch in der Ausstellung „Das Gehirn“, in der Bonner Bundeskunsthalle auf jeden Fall. Mit allen Sinnen ist die Ausstellung für jeden Menschen zu erleben. Durch die Ausstellung führt ein inklusives, sinnlich erfahrbares Leitsystem.
Kunst und Kulturgeschichte treffen dort in den Ausstellungsräumen auf wissenschaftliche Forschung, um das menschliche Gehirn zu erkunden. Ölgemälde, Zeichnungen, Skulpturen oder Literatur geben einen umfangreichen Einblick in die Welt des Gehirns. Ein Reichtum an gesammeltem Wissen aus verschiedenen Epochen ist ausgestellt sowie unterschiedliche Meinungen und Zeitzeugnisse, zusammengetragen aus Archiven weltweit. Kunstsammlungen und Forschungsergebnisse aus Instituten veranschaulichen die fantastische Welt des Gehirns mit seinen feinen Funktionen, die einem ästhetischem Wunderwerk der Schöpfung gleichen.
Rund 300 Werke und Objekte aus Kunst, Kulturgeschichte und Wissenschaft sind zu sehen und tragen zu Erklärungen und Antworten auf fünf komplexe Fragestellungen bei. „Was habe ich im Kopf?“, „Wie stelle ich mir die Vorgänge im Gehirn vor?“, „Sind ich und mein Körper dasselbe?“, „Wie mache ich mir die Welt?“ Und: „Soll ich mein Gehirn optimieren?“.
Die Welt des Gehirns – Erleben, Erinnern, Forschung, Grenzen, Zukunft –
Die Geschichte der Hirnforschung reicht tatsächlich weit bis in die Mittelsteinzeit ca. 10.- 5. Jahrtausend v. Chr. zurück. Zu den medizinischen Schriftstücken, die in der Ausstellung zu sehen sind, gehört das ägyptische Totenbuch, das eine Sammlung von Sprüchen und Riten enthält, die Auskunft über die altägyptische Mythologie geben. Die dargestellte Szene zeigt Anubis, den schakalköpfigen Gott der Totenriten wie er den verstorbenen Hunefer (ein damaliger Schreiber und Beamter) zum Totengericht geleitet. Dort wird sein Herz gewogen, denn in der Antike galt das Herz als das wichtigste Organ. Hunefer besteht diese Prüfung und wird zu Osiris geführt, dem Gott der Unterwelt und der Wiedergeburt.
Cyborgs
Den antiken Aufzeichnungen stehen zum Ende der Ausstellung modernste Errungenschaften der Forschung gegenüber. Ganz aktuell etwa zu Cyborgs (Mischwesen zwischen Mensch und Maschine), eine bekannte Schnittstellen sind heutzutage in der Medizin etwa Menschen mit Herzschrittmachern. Auch neueste Forschungsergebnisse zu Krankheiten wie Demenz, Depressionen oder Parkinson, wobei hier auch die Grenzen der derzeitigen Forschung deutlich werden, sind in der Ausstellung thematisiert. Es drängt sich an diesem Teil der Ausstellung letztendlich die Frage auf: „Wie weit wollen wir das vorantreiben? Wie weit wollen wir Leistung steigern?“
Die Zerbrechlichkeit und die Einmaligkeit von dem, was uns ausmacht „Körper, Seele und Geist“ werden deutlich und dies flößt einem spätestens hier geradezu Respekt und Hochachtung ein.
Frauen und Männer – Denken, Meditation –
Blicke, Perspektiven, Möglichkeiten und Verhaltensweisen, die früher genderspezifisch waren, fällt einem auf, wenn man durch die Ausstellung geht, sind heute für Männer und Frauen, in demokratischen Ländern zumindest, gleichberechtigt möglich. Sei es, ob es ums Lernen, Forschen, Nachsinnen oder auch ums Entspannen geht. So wurden Frauen in der Kunstgeschichte vor einigen Jahrhunderten noch, wenn es um Besinnung oder das Innehalten ging, eher oft untätig, mit dem Blick meist leer in die Ferne schweifend gemalt.
Männer hingegen wurden als in Bücher vergrabene fleissige Gelehrte dargestellt. Im 19. Jahrhundert zumeist beim Studium, umgeben von Büchern, oft sogar versunken lesend, zwischen aufgeschlagenen Bücherbergen, während nachdenkende Frauen in solchen Augenblicken häufig eher, wenn überhaupt, mit einem einzelnen Buch oder einem Brief in der Hand, abgebildet wurden.
Das Gedächtnis, Gedanken, der innere Monolog
Die Wichtigkeit und Funktionsweise des Gedächtnisses, sei es bei der Zeugenbefragung in einem Strafprozess, wenn es um das Erinnern geht oder beim alltäglichen Lernen, werden mit unterschiedlichen Kunstwerken ins Bewusstsein gerückt. Interessant ist das Zwiegespräch, der innere Monolog, der in der Ausstellung etwa zwischen Puppe und Puppenspieler in einem Video zu verfolgen ist. Denn, wenn Gedanken in unserem Kopf kreisen, fühlt es sich mitunter an, als hielten wir non-stop ein Zwiegespräch mit uns selbst. Ein innerer Dialog zwischen Selbstzweifeln und Selbstermutigung, den vielleicht jeder kennt, genauso wie das Abwägen von Für und Wider, um zu einem Ergebnis zu kommen und ein Problem erfolgreich zu lösen.
Psyche: Seele, Atem, Schmetterling
Das Gehirn steuert das Wichtigste überhaupt, unseren Atem. Ohne die Atemfunktion und ohne Atemluft gäbe es kein menschliches Leben. In Verbindung mit dem Atem stellt sich in vielen Kulturkreisen die Frage nach einer Seele. Gibt es überhaupt eine Seele? Auch dieser Frage gehen einzelne Bereiche, begleitet von Überlegungen aus der Kulturgeschichte, in der Ausstellung nach. Im Altgriechischen etwa bedeutet Psyche gleichzeitig „Seele“, „Atem“ und „Schmetterling“.
Die junge Psyche, Geliebte des Amor, trägt hier als Marmorskulptur von Ludwig von Hofer (1801-1887) dargestellt, auf ihrem Rücken Schmetterlingsflügel. (Wenn man sich mit Yoga befasst, liegt natürlich gleich der Gedanke an Pranayama – Wohlbefinden durch eine gesunde Atemlenkung kann man die Sanskritbezeichnung für unsere westliche Welt übersetzen – nahe, und dass sich mit Yoga- und Entspannungsübungen der Atem positiv beeinflussen lässt und mit etwas Übung gleichmäßiger und ruhiger und leicht wie ein Schmetterling wird :-))
Video am Anfang des Artikels:
Ausschnitt aus der Videoinstallation von:
www.gehirn.art
Animation based on the accompanying online exhibition
Designed by dform, Vienna, 2022
Artwork: Maik Perfahl (mostlikely) with Andreas Pawlik (dform.at)
Beitragsbild:
Mariechen Danz (geb.1980). Book (Unlearning) – Entire Histories Are Learnt by Heart. 2013, Polyurethan, Aluminium, Kupfer Wentrup, Berlin.
Fotos: Nikola Raegener
Informationen:
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
Museumsmeile Bonn
Helmut-Kohl-Allee 4
53113 Bonn
Information
T +49 228 9171–200
F +49 228 234154
info@bundeskunsthalle.de
Die Ausstellung „Das Gehirn in Kunst & Wissenschaft“ ist vom 28.01.2022 bis 26.06.2022 in Bonn zu sehen.
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